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Online-Fachtagung „Ich werde groß und stark! – gesund und krisenfest in herausfordernden Zeiten“

Die diesjährige Online-Fachtagung des Netzwerks Gesunde Kita in Zusammenarbeit mit dem Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg fand am 14. Juni 2022 statt.

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges als Krisen nahm die Online-Fachtagung die seelischen Bedürfnisse von Kita-Kindern und pädagogischen Fachkräften in den Blick und thematisierte, wie eine sensible Begleitung von Trauerprozessen und Aufarbeitung von Verlust- und Krisenerfahrungen gelingen kann, um in diesen herausfordernden Zeiten gesund und resilient zu bleiben.

Eröffnung und Grußworte

Die Online-Fachtagung wurde von Janet Priebe eröffnet. In ihrer Einführung berichtete sie von den Erfahrungen der Kitas und Horte während der Corona-Pandemie und teilte O-Töne aus den Einrichtungen. Neben den Herausforderungen schilderte sie ebenso positive Beispiele einzelner Kitas und betonte die Notwendigkeit, auch in krisenhaften Zeiten den Blick auf das zu lenken, was uns stärkt und gesund hält. Die Fachtagung solle vor allem aufzeigen, wie ein guter Umgang mit Veränderungen, Unsicherheiten und Verlusterfahrungen gelingen kann und was es braucht, um resilient und handlungsfähig zu bleiben. Dabei gehe es auch darum, so schloss Janet Priebe, als Erwachsene Kinder in ihren Erfahrungen und in ihrem Aufwachsen zu unterstützen und als Vorbilder, den sicheren Boden zu gestalten, auf dem sie groß und stark werden können.


Ministerin Ursula Nonnemacher begrüßte die Teilnehmenden und dankte den pädagogischen Fachkräften für ihr Engagement und ihre professionelle Arbeit während der letzten zwei Jahre. Sie beschrieb die Situation zu Beginn der Pandemie als die Routinen und sozialen Kontakte plötzlich von einem Tag auf den anderen wegbrachen und neue Sorgen und Ängste nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder belasteten. Die Sonderauswertung der COPSY-Studie für das Land Brandenburg zeige ganz deutlich, wie die Pandemie die Gesundheit der Kinder beeinflusst und welche Faktoren das Leben der Kinder zusätzlich erschweren. Ministerin Nonnemacher betonte ihr Verständnis für die Fachkräfte, die mit diesen Belastungen in ihrer täglichen Arbeit konfrontiert werden und davon nicht unberührt bleiben. Der Ausbruch des Ukraine-Krieges als weitere humanitäre Katastrophe verschärfe die Dringlichkeit, gute Rahmenbedingungen, gute Methoden und gute Netzwerke zu schaffen, um die Gesundheit und Lebensfreude der Kinder und auch der Fachkräfte zu erhalten.

Grußwort der Ministerin


Stellvertretend für den Geschäftsführer von Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V., Stefan Pospiech, begrüßte Dr. Iris Schiek die Teilnehmenden. Auch sie beleuchtete in ihrem Grußwort die Situation der Kinder sowie der Erwachsenen während der Pandemie und seit Beginn des Ukraine-Krieges und betonte, wie wichtig es ist, die seelische Gesundheit zu stärken und die Resilienz von Anfang an zu fördern. Eingehend auf die Thematik des Fachvortrags sprach sie über den Umgang mit Tod und Verlust in unserer Gesellschaft. Obwohl Tod, Trauer und Veränderungen zum Leben dazugehören, sind diese heute nicht mehr so sichtbar. Gerade in solchen Momenten helfen jedoch die Gemeinschaft und der Zusammenhalt bei der Bewältigung dieser Ereignisse.


Fachvortrag

„Wie können pädagogische Fachkräfte Kinder in Trauerprozessen und Umbruchsituationen begleiten?“

Verena Kauzleben, Trauerbegleiterin & Stresscoach

Was passiert bei Kindern nach Verlusten? Wie zeigt sich das? – Mit diesen zwei Fragen begann Verena Kauzleben ihren Fachvortrag und beschrieb, wie unterschiedlich Kinder trauern, wenn sie einen geliebten Menschen oder ein Haustier durch Tod verlieren, die Eltern sich scheiden lassen, ein Umzug ansteht oder etwas aufgrund von anderen Umständen, wie beispielsweise durch die Corona-Pandemie, verloren geht. Sie erklärte, dass gerade nach dem Tod eines wichtigen Menschen das Gefühl entstehe, die Welt und das eigene Selbstbild würden verrutschen. Ähnlich wie bei einem Mobile, bei dem eine Figur abfällt und alles in eine Schieflage gerät, können sich Kinder fühlen, wenn sie einen solchen Verlust erleben und noch so viele Fragen offen sind. Zeit und Unterstützung von außen sind dann besonders wichtig.

Verena Kauzleben beschrieb anschließend die vier Traueraufgaben nach Worden, die im Trauerprozess bewältigt werden müssen, und knüpfte an die drei Mythen über Trauernde an. Der erste Mythos, dass Trauernde immer traurig seien, sei ein Irrtum, erklärte sie. Trauer sei divers und könne sich in allen Emotionen wie Wut, Angst oder auch Freude über die gemeinsame Zeit mit dem Verstorbenen zeigen. Für die Arbeit mit Trauernden bedeute das, ihr Verhalten zu verstehen und anzunehmen. Es gehe nicht darum, Trauer zu überwinden, sondern sie zu integrieren, sagte Verena Kauzleben und widerlegte damit den zweiten Mythos. Auch den dritten Mythos, dass Erwachsene nicht vor Kindern weinen und ihnen ihre eigenen Unsicherheiten zumuten sollten, löste sie auf und erklärte, wie wichtig es sei, ehrlich zu den Kindern zu sein, eigene Trauer zu zeigen und den Kindern damit zu vermitteln, dass diese Emotionen zum Leben dazu gehören. Dies eröffne Kindern die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich selbst mit den Themen Tod und Trauer auseinanderzusetzen.

Welche Fragen Kinder und Erwachsene zu Tod und Trauer haben können und welche Tipps und Literaturempfehlungen helfen können, um miteinander ins Gespräch zu kommen, finden Sie in der Präsentation.

Workshops

Workshop 1: Umgang mit Abschieden – wer lernt hier von wem? Kinder und Fachkräfte im Umgang mit Trauer, Verlust und Veränderungen begleiten

Antje Muth, Dozentin zu den Themen Trauer und Trennung

Warum denken Kinder so anders über den Tod als wir Erwachsenen? Was können wir von ihnen lernen? Und was können wir uns bei anderen Kulturen abschauen?
Gut zu wissen: Kinder begreifen ihre Welt über Vorbilder. Also: Was denken Sie über den Tod? Welche Fragen haben Sie, was bewegt Sie als pädagogische Fachkräfte? Im Workshop fanden die Teilnehmenden gemeinsam Antworten, um mit Kindern sensibel über die Themen Trauer und Verlust sprechen zu können und ihnen in der Kita und im Hort Raum und Halt zu geben. Sie besprachen Methoden, mit dem verrutschten Weltbild umzugehen, Traurigkeit und Schmerz auszudrücken und den Heilungsprozess zu unterstützen.

Workshop 2: Raum für Gefühle – Gesprächsanlässe mit Kindern schaffen und begleiten, um seelische Belastungen gut zu bewältigen

Lisa Funk, freie Dozentin, Expertin Frühe Kindheit, Kita-Coach

Täglich sind wir mit unzähligen Gefühlen konfrontiert. In den letzten zwei Jahren hat die seelische Gesundheit vieler Menschen und besonders die der Kinder deutlich gelitten. So entwickeln immer mehr Kinder psychische Auffälligkeiten, wie verdeckte Ängste, Angststörungen und Zwangshandlungen. In diesem Workshop beschäftigten sich die Teilnehmenden mit starken Gefühlen. Was brauchen Kinder, um mit diesen Gefühlen umzugehen? Welche besonderen Bedürfnisse haben Kinder in Krisenzeiten? Wie kann das Thema Gefühle stärker im Alltag thematisiert werden und wie können wir Fachkräfte die Gefühle der Kinder begleiten? Die Teilnehmenden kamen miteinander ins Gespräch und näherten sich diesen Fragen mit verschiedenen Methoden für den Arbeitsalltag in Kita und Hort.

Workshop 3: Selbstwirksam! So bleibe ich auch in herausfordernden Situationen strukturiert, sicher, flexibel und handlungsfähig

Oliver Zierdt, Fachberater im Bundesprogramm Sprach-Kitas, stellv. Einrichtungsleiter der AWO Integrationskita „Sonnenblume“, Cottbus

Die herausfordernde Zeit mit Corona hat uns gezeigt, dass wir besonders in den sozialpädagogischen Berufen Strukturen und Sicherheit benötigen, um dem wichtigen Auftrag der Entwicklungsbegleitung unserer Kinder nachkommen zu können. Verlässliche Konstrukte und sichere Methodik helfen dabei sehr. Oft waren es aber genau diese vertrauten Sicherheiten, die von heute auf morgen wegbrachen. Es wurde deutlich, dass eben auch Flexibilität notwendig ist, um handlungsfähig zu bleiben. Corona war in diesem Sinne eine harte Schule und ein Indikator für die eigenen Möglichkeiten und Grenzen.

Der Workshop knüpfte an diesen Erfahrungen an und nahm diese in den Blick. Wie kann ich trotz Herausforderungen und mit als ungünstig wahrgenommenen Rahmenbedingungen dennoch flexibel, strukturiert und handlungsfähig bleiben? Wie behalte ich meine Sicherheit in Überzeugung und Methodik und im Umgang mit unterschiedlichen Adressaten?

Im Workshop wurden auf den Bezugsebenen Kinderinteraktion, Ich-Ebene und Verhalten im Umgang mit Eltern & Team Impulse, Modelle und Tipps angeboten und zur Diskussion gestellt, die helfen können, auch in herausfordernden Situationen kompetent, professionell, empathisch und selbstbewusst zu handeln. Im Workshop näherten sich die Teilnehmenden einer Stärkung der eigenen Haltung und schauten auf vermeidbare Stressverstärker, ungünstige Wahrnehmungsmuster, notwendige Selbstfürsorge und Möglichkeiten gelingender Kommunikation.

Workshop 4: Resilient und krisenfest im System Kita! Was lassen wir zurück, was nehmen wir mit, was kommt auf uns zu?

Ursula Günster-Schöning, Pädagogin, Sozialfachwirtin, Coach

Manche Menschen führen auch unter schlechten Lebensumständen ein glückliches und erfolgreiches Leben oder haben gewaltige körperliche und seelische Strapazen erleiden müssen und dennoch erkranken sie nicht – selbst entgegen allen Lehrmeinungen der Medizin. Auch im Alltag entwickeln bestimmte Menschen erstaunliche Widerstandskräfte gegen Stress oder Erkrankungen, und nicht immer verdanken sie ihr Wohlbefinden einer gesunden Lebensweise. Ganz im Gegenteil, manche leben mitunter „ungesund“ und sind dennoch gesund und vital. Was hält diese Menschen scheinbar „wie ein Fels in der Brandung“ nahezu unversehrt, sodass sie auch unbeschadet aus Krisen hervor gehen, während andere Menschen dies nicht können. Was ist hier der Unterschied? Haben sie vielleicht besondere Fähigkeiten, die Ihnen von innen Stärke verleihen? Diesen und anderen Fragen gingen die Teilnehmenden in diesem Workshop auf den Grund und überlegten am Ende zudem noch, wie wir diese besonderen Fähigkeiten auch bei Kindern wecken und stärken können, damit sie später als Erwachsene Frust und Druck besser aushalten können und zudem in der Lage sind, flexibler mit Stress umzugehen.

Schlusswort

Mit dem Fokus auf den Umgang mit Verlust- und Krisenerfahrungen griff die diesjährige Online-Fachtagung eine Thematik auf, die uns alle bewegt und für viele Menschen seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg an Brisanz zugenommen hat. In herausfordernden Zeiten ist es bedeutend schwieriger, für die eigene seelische und körperliche Gesundheit Sorge zu tragen, gleichzeitig ist es wichtiger denn je.

Wie wichtig es ist, Kinder bei den Veränderungen und Verlusten in ihrem Leben zu begleiten und ihnen aufzuzeigen, dass ihre Gefühle und Fragen gehört, gesehen und angenommen werden, wurde im Rahmen der Fachtagung deutlich. Dabei hilft es, authentisch zu sein, eigene Unsicherheiten und Ängste loszulassen, Emotionen zu zeigen und gemeinsam mit den Kindern über die Erlebnisse zu sprechen. So können Erwachsene den Kindern Raum und verlässlichen Halt geben, damit sie lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen – wichtige Schritte für die Stärkung der Resilienz und seelischen Gesundheit.  

Veränderungen sind Teil unseres Lebens und unumgänglich. Um ihnen zu begegnen und an ihnen zu wachsen, müssen wir uns auf sie einlassen, unsere eigenen Stärken kennen, wandlungsfähig bleiben und aufeinander Acht geben.

Viele Teilnehmende fühlten sich bestärkt in ihrem bisherigen Umgang mit Veränderungen und Verlusterfahrungen und dankten für die Einfühlsamkeit, Leichtigkeit, Normalität und Distanz, mit der die Thematik aufgegriffen wurde. Die rege Beteiligung beim Fachvortrag sowie während der Workshops zeigte den Bedarf nach Austausch und Informationen über die Fachtagung hinaus. Dies untermauerten auch die vielen Rückmeldungen von Teilnehmenden im Nachgang der Fachtagung, die von eigenen Trauerfällen in ihren Einrichtungen berichteten und ihre Erfahrungen teilten.

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